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KI-generierter Politkrimi
Version 2

Der folgende Text wurde für das Montségut-Autorenforum komplett automatisiert aufgrund der folgenden Vorgaben erstellt:

Genre: Politkrimi
Thema: Organisierte Kriminalität 
Setting: Barcelona, Rom, Warschau
Epoche: Achtziger des letzten Jahrhunderts
Zielgruppe: Boomer und GenX
Stil: wie Agatha Christie
Umfang: ca. 6000 Wörter

Es wurde aus Kostengründen keine automatisierte Revisionsphase implementiert. Dies ist der erste Versuch des Programms, den Text zu schreiben, ohne jegliche manuell vorgenommene Veränderungen.

Im Unterschied zur ersten Variante, wurde hier ein Programm verwendet, das deutlich weniger detailliertere Vorarbeiten beim Plotten produziert, sondern die Szenenplanung in einem Schritt erstellt.

Katakomben der Macht

 

Die Glocke über der Eingangstür klingelte sanft, als Erich Müller das letzte Stück Silberbesteck polierte. Er blickte nicht sofort auf, sondern beendete seine Arbeit mit der Präzision, die ihn sein Leben lang ausgezeichnet hatte. Der Schweiß perlte auf seiner Stirn – die Klimaanlage in seinem kleinen Antiquitätenladen hatte den Kampf gegen die barcelonesische Sommerhitze längst aufgegeben.

"Wir schließen in fünf Minuten," sagte er auf Spanisch, ohne den Blick zu heben.

"Das ist keine Art, einen alten Freund zu begrüßen, Erich."

Die Stimme ließ Müller erstarren. Dieser deutsche Akzent. Diese tiefe, selbstsichere Tonlage. Er hatte sie seit Jahren nicht gehört, doch erkannte sie augenblicklich. Langsam legte er das Silberbesteck beiseite und blickte auf.

"Klaus Weber."

Der Mann, der zwischen einem Empireschrank und einer viktorianischen Standuhr stand, lächelte dünn. "Du siehst gut aus, Erich. Das Mittelmeerklima bekommt dir offenbar."

Müller musterte seinen unerwarteten Besucher. Weber hatte sich verändert. Die Zeit hatte tiefe Furchen in sein Gesicht gegraben, doch sein Auftreten strahlte eine neue Art von Selbstbewusstsein aus. Der maßgeschneiderte Anzug, italienisch vermutlich, saß perfekt. An seinem Handgelenk glänzte eine Schweizer Uhr, die mehr wert sein musste als Müllers monatlicher Umsatz.

"Was willst du?" Müller trat hinter der Theke hervor, seine Augen huschten kurz zur Hintertür.

Weber bemerkte den Blick und lachte leise. "Immer noch der Vorsichtige. Manche Dinge ändern sich nie."

Er schlenderte durch den Laden, strich mit den Fingern über eine Kommode aus dem 18. Jahrhundert. "Nette Sammlung hast du hier. 'Antoni Ferrer' – ein guter Name. Klingt authentisch katalanisch."

Müller verschränkte die Arme vor der Brust. Sein graumeliertes Haar fiel ihm in die Stirn, als er den Kopf neigte. "Ich wiederhole mich ungern, Klaus."

"Geschäfte, Erich. Ich bin hier, um dir ein Angebot zu machen." Weber nahm eine kleine Porzellanfigur in die Hand, betrachtete sie im warmen Licht der untergehenden Sonne, die durch die staubigen Fenster fiel. "Ein lukratives Angebot."

"Ich bin raus aus dem Geschäft. Seit vier Jahren."

"Niemand ist jemals wirklich raus." Weber stellte die Figur zurück und trat näher. "Es ist ein einfacher Auftrag. Ein Koffer muss nach Rom gebracht werden. Mehr nicht."

Müller lachte bitter. "Und warum kommst du damit zu mir? Die Mauer fällt, und plötzlich erinnerst du dich an deinen alten Freund in Barcelona?"

"Die Mauer wackelt erst, sie ist noch nicht gefallen," korrigierte Weber. "Und ich brauche jemanden mit... Erfahrung. Jemanden, der weiß, wie man Grenzen überquert, ohne Aufmerksamkeit zu erregen."

Müller schüttelte den Kopf. "Ich habe mir hier ein Leben aufgebaut. Ein normales Leben."

"Als Antoni Ferrer." Weber betonte den Namen mit unverkennbarer Ironie. "Der respektable Antiquitätenhändler, der niemals für die Staatssicherheit gearbeitet hat. Der niemals Informationen aus dem Westen beschafft hat. Der niemals—"

"Genug." Müller senkte die Stimme. "Was ist in dem Koffer?"

"Das musst du nicht wissen."

"Dann ist meine Antwort nein."

Weber seufzte theatralisch und ließ seinen Blick durch den engen, vollgestellten Laden schweifen. Die Luft war schwer vom Geruch alter Bücher und Möbelpolitur. Draußen hallten die Schritte von Passanten durch die schmale Gasse des Gotischen Viertels.

"Ich frage mich, was die spanischen Behörden über einen ehemaligen Stasi-Offizier denken würden, der unter falscher Identität in ihrem Land lebt." Weber lächelte freundlich. "Oder was deine Nachbarn sagen würden. Diese nette Familie im Apartment gegenüber. Die alte Dame, die dir immer Gebäck bringt."

Müller ballte die Fäuste. "Du drohst mir?"

"Ich stelle nur fest, wie zerbrechlich deine neue Existenz ist." Weber zog eine Visitenkarte aus seiner Tasche und legte sie auf einen kleinen Beistelltisch. "Übermorgen kommt ein Mann. Er bringt den Koffer. Du nimmst ihn mit nach Rom und übergibst ihn an der angegebenen Adresse. Für deine Mühen erhältst du zehntausend Dollar."

"Ich brauche dein Geld nicht."

"Nein? Dieser Laden sieht nicht gerade nach einem florierenden Geschäft aus." Weber knöpfte sein Jackett zu. "Die Entscheidung liegt bei dir, Erich. Oder sollte ich sagen, Antoni?"

Er wandte sich zur Tür, hielt dann noch einmal inne. "Ach, und falls du auf dumme Gedanken kommen solltest – ich bin nicht der Einzige, der über deine wahre Identität Bescheid weiß."

Die Türglocke klingelte erneut, als Weber den Laden verließ. Müller stand regungslos da, starrte auf die Visitenkarte. Die untergehende Sonne warf lange Schatten durch den Raum, ließ die Konturen der Antiquitäten verschwimmen.

Mit zitternden Fingern nahm er die Karte auf. Eine Adresse in Rom, nichts weiter. Er dachte an die vergangenen vier Jahre, an die mühsam aufgebaute Fassade, an die Nachbarn, die ihn grüßten, ohne zu ahnen, wer er wirklich war. Er dachte an die Akten, die irgendwo in Berlin lagerten, an die Namen, die er geliefert hatte, an die Leben, die er zerstört hatte.

Müller ging zur Tür und drehte das Schild auf "Geschlossen". Dann zog er die Jalousien herunter und schenkte sich ein Glas Brandy ein. Er trank es in einem Zug leer, spürte das Brennen in seiner Kehle.

Als es dunkel wurde, saß er immer noch an seinem Schreibtisch, die Visitenkarte zwischen den Fingern. Er wusste, dass er keine Wahl hatte. Weber hatte ihn in der Hand, genau wie früher. Nur die Rollen hatten sich vertauscht.

Mit einem Seufzen steckte Müller die Karte ein. Er würde den Koffer nach Rom bringen. Ein letzter Auftrag, dann würde er endgültig verschwinden. Einen neuen Namen annehmen. Ein neues Leben beginnen. Wieder einmal.

Er ahnte nicht, dass er mit dieser Entscheidung in ein Netz geraten würde, das weit über alte Stasi-Verbindungen hinausging. Ein Netz aus Waffenhändlern, korrupten Politikern und Mördern, das beide Seiten des wankenden Eisernen Vorhangs umspannte.

Die römische Sonne brannte unbarmherzig, als Erich Müller die schmiedeeisernen Tore der Villa am Stadtrand passierte. Er trug den Koffer wie einen gewöhnlichen Reisebegleiter, doch sein Nacken war schweißnass – nicht nur wegen der Hitze. Die Anweisung auf Webers Karte war präzise gewesen: Villa Magnolia, 15 Uhr, Hintereingang.

Ein Gärtner nickte ihm zu, als hätte er ihn erwartet, und deutete auf einen Pfad, der durch üppige Oleanderbüsche führte. Die Villa selbst war ein imposantes Gebäude aus der Jahrhundertwende mit verwitterten Steinfiguren und hohen Fenstern, die das Sonnenlicht reflektierten.

Der Mittelsmann wartete bereits. Ein hagerer Mann mit Sonnenbrille und Leinenanzug, der keine Miene verzog, als Müller den Koffer übergab. Kein Wort wurde gewechselt, nur ein kaum merkliches Nicken, dann war es vorbei. Die ganze Aktion dauerte keine dreißig Sekunden.

Auf dem Rückweg zum Taxi spürte Müller es – dieses feine Kribbeln im Nacken, das er aus seiner Stasi-Zeit kannte. Jemand beobachtete ihn. Er bog scheinbar ziellos in eine Nebenstraße ein, blieb vor einem Schaufenster stehen und studierte die Spiegelung. Da war er: ein Mann mit Baseballkappe, der vorgab, eine Zeitung zu lesen. Müller ging weiter, nahm scheinbar zufällige Abzweigungen, die kein Tourist wählen würde. Der Mann blieb dran.

Im Hotel Concordia, einem mittelmäßigen Etablissement im Zentrum Roms, nickte er dem Portier zu und nahm den Fahrstuhl in den dritten Stock. Sein Zimmer bot einen Blick auf die belebte Via Nazionale, wo Touristen und Einheimische zwischen Souvenirläden und Cafés flanierten.

Müller zog die schweren Vorhänge zu, drehte den Fernseher an und ließ das Wasser in der Dusche laufen – alte Gewohnheiten. Er prüfte die Tür, das Fenster, den Kleiderschrank. Alles schien in Ordnung. Die Übergabe war glatt verlaufen. In zwei Tagen würde er zurück in Barcelona sein, und Weber würde ihn hoffentlich für immer in Ruhe lassen.

Der Fernseher zeigte lokale Nachrichten. Müller verstand nur Bruchstücke des schnellen Italienisch, aber die Bilder ließen ihn erstarren. Eine Villa, umstellt von Polizeiwagen. Absperrband. Männer in Uniform, die ein- und ausgingen. Die Kamera zoomte auf das schmiedeeiserne Tor.

Villa Magnolia.

Müller drehte die Lautstärke hoch, versuchte verzweifelt, mehr zu verstehen. Ein Name fiel immer wieder: "Generale Harrison." Ein Foto erschien auf dem Bildschirm – ein älterer Mann in NATO-Uniform mit strengem Blick. Der Nachrichtensprecher sprach von "omicidio" – Mord.

"Mein Gott", flüsterte Müller. Er schaltete auf einen internationalen Sender um und erfuhr die Details: General William Harrison, hochrangiger NATO-Offizier, ermordet in einer Villa am Stadtrand Roms. Erschossen, vermutlich von professionellen Killern. Die italienische Polizei und internationale Ermittler seien vor Ort.

Müller sank auf das Bett. Die Villa, in der er vor wenigen Stunden den Koffer übergeben hatte. Was hatte er transportiert? Eine Waffe? Dokumente? War er Teil eines Mordkomplotts geworden?

Mit zitternden Händen öffnete er seine Reisetasche. Er hatte sie seit der Übergabe nicht mehr angerührt. Systematisch begann er, jeden Zentimeter abzutasten, jede Naht zu prüfen. Unter dem Futter, fast unsichtbar eingenäht, fand er es: ein winziger Mikrofilm.

Mit der Präzision eines Mannes, der Jahre im Geheimdienst gearbeitet hatte, löste er den Film heraus und hielt ihn gegen das Licht. Ohne Vergrößerungsgerät konnte er nur erahnen, dass es sich um Listen handelte. Zahlen, Codes, Orte.

Müller griff zum Telefon und wählte die Nummer, die Weber ihm für Notfälle gegeben hatte.

"Ja?" Webers Stimme klang genervt.

"Was hast du mir da untergeschoben?" zischte Müller. "Die Villa ist umstellt von Polizei. Ein NATO-General wurde ermordet!"

Eine kurze Pause. "Ich weiß nicht, wovon du sprichst."

"Hör auf! Der Koffer, die Villa – was war da drin?"

"Du wurdest bezahlt, um einen Koffer zu transportieren, nicht um Fragen zu stellen." Webers Ton wurde eisig. "Wenn du klug bist, steigst du in den nächsten Flieger und vergisst die ganze Sache."

"Ich habe einen Mikrofilm gefunden, Weber. In meiner Tasche."

Diesmal war die Pause länger. "Das ist unmöglich."

"Er enthält Listen. Waffenlieferungen, wenn ich raten müsste."

"Hör zu, Erich." Webers Stimme senkte sich zu einem gefährlichen Flüstern. "Wenn du diesen Film hast, bist du in großer Gefahr. Vernichte ihn und verschwinde aus Rom. Sofort."

Die Leitung wurde unterbrochen. Müller starrte auf den Hörer, dann auf den Mikrofilm in seiner Hand. Weber hatte ihn benutzt. Ihn zum Komplizen eines Mordes gemacht. Und jetzt saß er in der Falle.

Er packte hastig seine wenigen Habseligkeiten zusammen. Der Mikrofilm kam in eine wasserdichte Kapsel, die er in seiner Socke versteckte. Er musste das Hotel verlassen, bevor man ihn fand.

Als er die Lobby betrat, bemerkte er sofort die beiden Männer, die in der Nähe des Eingangs saßen. Sie gaben sich als Touristen aus, studierten Stadtpläne, doch ihre Augen verrieten sie. Der eine trug eine auffällige Anstecknadel am Revers – eine kleine goldene Schlange, die sich um einen Dolch wand. Müller kannte dieses Symbol aus Briefings der Stasi über internationale kriminelle Organisationen. Die 'Ndrangheta, der kalabresische Zweig der italienischen Mafia.

Müller drehte sich um und ging zum Hinterausgang, der in eine enge Gasse führte. Er musste herausfinden, was auf dem Mikrofilm stand und warum General Harrison sterben musste. Irgendwo gab es eine Verbindung zwischen Weber, dem toten NATO-General und der Mafia.

In einer kleinen Bar zwei Straßen weiter bestellte er einen Espresso und beobachtete durch das Fenster die Straße. Sein Gehirn arbeitete fieberhaft. Weber hatte Verbindungen nach Osteuropa, zur ehemaligen Stasi. Aber die Mafia? Und ein NATO-General?

Während er den bitteren Kaffee trank, fiel sein Blick auf einen Zeitungsstand gegenüber. Die Schlagzeilen schrien vom bevorstehenden Ende des Kalten Krieges, von Geheimverhandlungen zwischen Ost und West. Und plötzlich dämmerte ihm eine Möglichkeit: Was, wenn Harrison an diesen Verhandlungen beteiligt war? Was, wenn bestimmte Kreise – sowohl im Osten als auch im Westen – kein Interesse an einem Frieden hatten?

Müller zahlte und ging zum Zeitungsstand. Er kaufte drei verschiedene Tageszeitungen und ging damit zu einem kleinen Platz, wo er sich auf eine Bank setzte. Die Berichte über Harrison bestätigten seine Vermutung: Der General war ein Befürworter der Abrüstung gewesen, hatte an geheimen Gesprächen teilgenommen.

Ein Plan formte sich in Müllers Kopf. Er brauchte einen Ort, um den Mikrofilm zu entwickeln, und er brauchte mehr Informationen. Auf der letzten Seite einer der Zeitungen fand er eine kleine Anzeige für einen Fotoladen im nahegelegenen Trastevere-Viertel.

Als er aufstand, bemerkte er einen der Männer aus dem Hotel, der den Platz überquerte. Die Jagd hatte begonnen. Müller mischte sich unter eine Gruppe japanischer Touristen und ließ sich von ihnen mitziehen, weg von seinem Verfolger.

Er wusste, dass er nicht lange davonlaufen konnte. Aber er hatte eine Spur – eine Spur, die auf Verbindungen zwischen osteuropäischen Geheimdienstkreisen und der italienischen Mafia hindeutete. Verbindungen, die stark genug waren, um einen NATO-General zu töten.

Und er hatte den Beweis in seiner Socke.

Der Nebel hing tief über Warschau, als Erich Müller das Café Kulturalny betrat. Eine Woche war seit seiner überstürzten Flucht aus Rom vergangen. Der Mikrofilm hatte ihn hierher geführt, zu dieser Stadt im Umbruch, wo der Kommunismus seine letzten Atemzüge tat, während kapitalistische Versprechen bereits durch die Ritzen der bröckelnden Mauer sickerten.

Das Café war ein Relikt aus einer anderen Zeit – schwere Samtvorhänge, abgewetzte Ledersessel, der Geruch von starkem Kaffee und billigen Zigaretten. Durch die beschlagenen Fenster sah man den monumentalen Kulturpalast, dieses stalinistische Geschenk an das polnische Volk, das wie ein grauer Koloss über der Stadt thronte.

Müller wählte einen Tisch in der Ecke, der ihm einen guten Blick auf den Eingang bot. Er bestellte einen Kaffee und schlug eine Woche alte Zeitung auf, um nicht aufzufallen. Die Hinweise auf dem Mikrofilm waren präzise gewesen: 11 Uhr, Café Kulturalny, Treffen zwischen "Bär" und "Mailand".

Um 10:58 Uhr betrat ein grauhaariger Mann mit steifer Haltung das Café. Er bewegte sich mit der kontrollierten Präzision eines Militärs, seine Augen scannten den Raum mit professioneller Gleichgültigkeit. Müller erkannte den Typus sofort – KGB, oder ehemaliger KGB. In diesen Tagen war der Unterschied fließend.

Der Mann – "Bär", wie Müller vermutete – setzte sich an einen Tisch am Fenster und bestellte mit leiser Stimme. Fünf Minuten später erschien ein zweiter Mann. Er war das komplette Gegenteil des ersten: elegant gekleidet in einen italienischen Anzug, mit auffälligem Goldschmuck und einem nervösen Tick, bei dem er ständig seinen Siegelring drehte. "Mailand" – der italienische Geschäftsmann.

Müller beobachtete, wie die beiden Männer sich begrüßten – förmlich, aber vertraut. Sie sprachen leise, ihre Köpfe zusammengeneigt über dem kleinen Tisch. Der italienische Geschäftsmann öffnete kurz seine Aktentasche, zeigte etwas, das Müller nicht sehen konnte. Der KGB-Mann nickte, notierte etwas in ein kleines Notizbuch.

Vorsichtig holte Müller die Kleinbildkamera aus seiner Tasche, die er in einem Pfandhaus in Westberlin erstanden hatte, bevor er nach Polen weitergereist war. Er hielt sie unter dem Tisch, richtete das Objektiv durch eine Lücke zwischen Zeitung und Tischplatte und drückte mehrmals ab. Das leise Klicken des Verschlusses ging im Stimmengewirr des Cafés unter.

"Die Belichtung stimmt nicht. Bei diesem Licht brauchen Sie eine längere Verschlusszeit."

Die Stimme kam von seiner linken Seite. Eine Frau hatte sich an seinen Tisch gesetzt, ohne dass er es bemerkt hatte – ein beunruhigender Fehler für einen ehemaligen Agenten. Sie war Anfang vierzig, hatte kurzes dunkles Haar und wache Augen, die ihn mit einer Mischung aus Neugier und Vorsicht musterten.

"Ich fotografiere keine Sehenswürdigkeiten," erwiderte Müller kühl und ließ die Kamera in seiner Tasche verschwinden.

"Das ist mir klar." Sie lächelte dünn. "Sonst würden Sie nicht zwei Männer fotografieren, die Waffengeschäfte über den Eisernen Vorhang hinweg abwickeln."

Müller erstarrte. Seine Hand glitt instinktiv zu dem Messer in seiner Jackentasche.

"Entspannen Sie sich, Herr Müller. Wenn ich Sie hätte verraten wollen, säßen Sie bereits in einem Verhörraum." Sie streckte ihm die Hand entgegen. "Sophia Kowalski, Warschauer Kurier."

Müller schüttelte ihre Hand nicht. "Woher kennen Sie meinen Namen?"

"Ich bin Journalistin. Recherche ist mein Beruf." Sie zog einen Presseausweis aus ihrer Tasche und schob ihn über den Tisch. "Und ich recherchiere seit Monaten über internationale Waffengeschäfte."

Müller betrachtete den Ausweis. Er sah echt aus, aber das bedeutete nichts. "Was wollen Sie von mir?"

"Zusammenarbeit." Sophia beugte sich vor, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. "Der Mann mit dem grauen Haar ist Oberst Viktor Baranov, ehemals KGB, jetzt angeblich im Ruhestand. Der Italiener ist Giacomo Vitelli, offiziell Importeur von Luxusgütern, inoffiziell Verbindungsmann zur 'Ndrangheta."

Müller blickte zu den beiden Männern hinüber, die nun ihre Getränke bezahlten. "Und woher wissen Sie das alles?"

"Wie gesagt – Recherche." Sie zog ein kleines Notizbuch hervor. "Ich verfolge ihre Aktivitäten seit Monaten. Aber mir fehlt ein entscheidendes Puzzlestück." Sie fixierte ihn mit ihrem Blick. "Der Mikrofilm, den Sie in Rom gefunden haben."

Müller stand abrupt auf. "Ich weiß nicht, wovon Sie reden."

Sophia blieb sitzen. "General Harrison wurde ermordet, weil er einem internationalen Waffenhändlerring auf der Spur war. Einem Ring, der hochrangige Politiker und Militärs aus Ost und West umfasst. Sie wurden als Kurier benutzt, Herr Müller. Und jetzt haben Sie etwas, das diese Leute um jeden Preis zurückhaben wollen."

Die beiden Männer verließen das Café. Müller zögerte, dann setzte er sich wieder. "Angenommen, Sie haben Recht. Warum sollte ich Ihnen vertrauen?"

"Weil ich Ihnen helfen kann zu verstehen, was Sie haben." Sie schob ihm einen Zettel mit einer Adresse zu. "Kommen Sie um drei Uhr dorthin. Bringen Sie den Film mit. Wenn Sie bis dahin nicht verhaftet oder erschossen wurden, wissen Sie, dass ich Sie nicht verraten habe."

Sie stand auf, legte Geld für ihren unberührten Kaffee auf den Tisch und ging. Durch das Fenster sah Müller, wie sie die Straße überquerte und in einer Seitenstraße verschwand.

Er blieb noch eine halbe Stunde sitzen, beobachtete das Kommen und Gehen der Gäste, prüfte, ob er verfolgt wurde. Dann machte er sich auf den Weg zu seinem billigen Hotel, wo er die restlichen Stunden damit verbrachte, über die Begegnung nachzudenken.

Um drei Uhr stand er vor einem grauen Plattenbau am Stadtrand von Warschau. Die Adresse führte ihn in den vierten Stock, zu einer Wohnung mit abblätternder Farbe an der Tür. Er klopfte zweimal, wartete, klopfte noch einmal.

Sophia öffnete. Hinter ihr sah Müller ein chaotisches Arbeitszimmer – jede verfügbare Fläche war mit Zeitungsausschnitten, Büchern und Notizen bedeckt. An einer Wand hing eine große Karte Europas, auf der verschiedenfarbige Fäden zwischen Städten gespannt waren.

"Sie sind gekommen." Sie trat beiseite. "Und Sie leben noch."

"Vorerst." Müller betrat die Wohnung und schloss die Tür hinter sich. "Ich habe den Film mitgebracht, aber ich zeige ihn Ihnen erst, wenn Sie mir mehr erzählen."

Sophia nickte zu einem kleinen Tisch, auf dem ein Samowar stand. "Tee?"

Sie tranken in Schweigen, während draußen der Tag langsam zur Neige ging. Dann begann Sophia zu sprechen.

"Ich war bei der Solidarność, seit ich zwanzig war. Als Journalistin konnte ich Informationen sammeln und weitergeben. Vor einem Jahr stieß ich auf Hinweise über Waffenlieferungen aus dem Westen an Regime, die offiziell unter Embargo standen. Die Spur führte mich zu Verbindungen zwischen hochrangigen Parteifunktionären hier in Polen und italienischen Geschäftsleuten mit Mafia-Kontakten."

Sie stand auf und ging zur Karte an der Wand. "Je tiefer ich grub, desto größer wurde das Bild. Es geht nicht nur um Polen oder Italien. Es ist ein Netzwerk, das ganz Europa umspannt, Ost und West. Politiker, Militärs, Geheimdienstler – sie alle profitieren vom Kalten Krieg, während sie öffentlich Feindschaft predigen."

Müller trat neben sie. Die Karte war mit Notizen übersät, Namen und Daten verbunden durch die farbigen Fäden. Er erkannte einige Namen – darunter Weber.

"Harrison hatte begonnen, das Netzwerk aufzudecken," fuhr Sophia fort. "Er sammelte Beweise für eine Präsentation vor dem NATO-Rat. Deshalb musste er sterben."

"Und der Mikrofilm?"

"Vermutlich ein Teil seiner Beweise. Vielleicht sogar der wichtigste Teil."

Müller zog die wasserdichte Kapsel aus seiner Tasche und reichte sie Sophia. "Können Sie ihn entwickeln?"

"Besser." Sie lächelte zum ersten Mal richtig. "Ich habe einen Projektor."

In den nächsten Stunden projizierten sie den Inhalt des Mikrofilms an die kahle Wand des Wohnzimmers. Es waren tatsächlich Listen – Waffenlieferungen, Daten, Banktransaktionen. Namen von Politikern, die offiziell den Frieden predigten, während sie insgeheim vom Waffenhandel profitierten. Routen für Lieferungen, die den Eisernen Vorhang überquerten, als existiere er nicht.

"Mein Gott," flüsterte Sophia, als sie die Ausmaße erkannte. "Das reicht, um Regierungen zu stürzen."

Müller studierte die Daten sorgfältig. "Es erklärt, warum bestimmte Kreise kein Interesse an einem Ende des Kalten Krieges haben. Frieden ist schlecht fürs Geschäft."

Sie arbeiteten die ganze Nacht durch, übertrugen die Informationen vom Film auf Papier, verglichen sie mit Sophias Recherchen, fügten Puzzlestück um Puzzlestück zusammen. Auf dem Boden breiteten sie eine neue Karte aus, größer und detaillierter als die an der Wand.

"Es ist unglaublich," sagte Müller, als der Morgen dämmerte. "Diese Leute – auf beiden Seiten – sie spielen ein doppeltes Spiel. Sie halten die Welt in Atem mit der Angst vor einem Atomkrieg, während sie hinter den Kulissen zusammenarbeiten, um sich zu bereichern."

Sophia nickte müde. "Die Frage ist, was wir jetzt damit tun."

Müller rieb sich die brennenden Augen. Die Karte auf dem Boden zeigte ein komplexes Netzwerk aus Verbindungen – Namen, Orte, Geldflüsse. In der Mitte stand Klaus Weber, verbunden mit Dutzenden von Kontakten auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs.

"Wir müssen es veröffentlichen," sagte Sophia. "Die Welt muss erfahren, dass der Kalte Krieg für viele nur ein profitables Geschäft ist."

"Wenn wir das tun, sind wir tot," erwiderte Müller. "Diese Leute haben Harrison umbringen lassen, einen hochrangigen NATO-General. Was glauben Sie, werden sie mit uns machen?"

"Wir brauchen Schutz. Jemanden, der mächtig genug ist, um uns zu decken."

Müller dachte nach. "Ich kenne jemanden bei Interpol. Ein ehemaliger Kontakt aus... früheren Zeiten. Er schuldet mir einen Gefallen."

"Kann man ihm trauen?"

"Niemandem kann man vollständig trauen." Müller blickte auf die Karte. "Aber er hasst Korruption mehr als alles andere. Und er steht auf keiner dieser Listen."

Sophia stand auf und ging zum Fenster. Der Kulturpalast ragte in der Ferne auf, ein Monument einer Ära, die zu Ende ging. "Wir sollten die Dokumente sichern. An verschiedenen Orten."

"Und wir sollten uns beeilen," fügte Müller hinzu. "Wenn sie Harrison getötet haben, werden sie nicht zögern, uns zu beseitigen."

Sie begannen, die Dokumente zu sortieren und in verschiedene Umschläge zu packen. Draußen erwachte Warschau zu einem neuen Tag, ahnungslos, welche Enthüllungen in dieser kleinen, mit Papieren überfüllten Wohnung schlummerten.


Das Klappern der Schreibmaschine verstummte abrupt. Sophia hielt inne, den Finger noch über der Taste, als das Geräusch durch die Stille der Wohnung drang – ein leises Knirschen vom Treppenhaus.

"Hast du das gehört?" flüsterte sie.

Müller, der gerade die letzten Dokumente in einen Umschlag steckte, erstarrte. Seine Hand wanderte instinktiv zu dem Messer in seiner Jackentasche. Er legte einen Finger auf die Lippen und schlich zum Fenster.

Vorsichtig schob er den Vorhang einen Spalt zur Seite. Unten auf der Straße stand ein schwarzer Wagen mit laufendem Motor. Kein Taxischild, keine Kennzeichnung.

"Wir bekommen Besuch," sagte er leise. "Pack die wichtigsten Unterlagen ein. Sofort."

Sophia reagierte ohne Zögern. Sie zog eine abgewetzte Ledertasche unter dem Sofa hervor und begann, die verstreuten Papiere einzusammeln. "Die Kopien vom Mikrofilm?"

"Hier." Müller reichte ihr einen Umschlag. "Wie kommen wir hier raus?"

"Feuerleiter am Hinterfenster. Führt in den Innenhof."

Das Knirschen im Treppenhaus wurde lauter. Schritte, mehrere Personen, die sich nicht mehr die Mühe machten, leise zu sein.

Müller griff nach seiner Tasche und folgte Sophia zum Hinterfenster. Sie öffnete es mit einem geübten Griff. "Solidarność-Training," erklärte sie mit einem grimmigen Lächeln. "Wir mussten oft schnell verschwinden."

Sie waren kaum auf der rostigen Feuerleiter, als die Wohnungstür aufgebrochen wurde. Müller hörte das Splittern von Holz, dann Stimmen, die Befehle auf Russisch bellten.

"Schneller," drängte er, als sie den Innenhof erreichten. Ein Schuss krachte über ihnen, Putz splitterte von der Hauswand.

Sie rannten durch den Hof, fanden einen schmalen Durchgang zwischen zwei Gebäuden. Die kühle Abendluft brannte in Müllers Lungen, als sie durch ein Labyrinth aus Hinterhöfen und Gassen hasteten.

"Wohin jetzt?" keuchte er, als sie auf eine belebtere Straße traten.

"Flughafen," antwortete Sophia ohne zu zögern. "Ich habe Kontakte. Wir können noch heute Nacht raus aus Polen."

Sie sprangen in ein vorbeifahrendes Taxi. Sophia gab dem Fahrer eine Adresse, die nicht der Flughafen war. Auf Müllers fragenden Blick hin flüsterte sie: "Vorsichtsmaßnahme. Wir steigen dreimal um."

Während das Taxi durch die abendlichen Straßen Warschaus fuhr, öffnete Müller seine Tasche und überprüfte die Dokumente. "Wir haben fast alles," murmelte er. "Aber wir brauchen einen sicheren Ort, um die Veröffentlichung vorzubereiten."

"Italien," sagte Sophia. "Rom. Ich habe dort einen Freund, der uns helfen kann."

Müller nickte langsam. "Rom also. Zurück zum Ausgangspunkt."

Während sie von Taxi zu Taxi wechselten, breitete Müller auf seinem Schoß eine der Listen aus. Im flackernden Licht der vorbeiziehenden Straßenlaternen studierte er die Namen. Plötzlich stieß er einen leisen Fluch aus.

"Was ist?" fragte Sophia.

"Weber." Müller tippte auf einen Namen in der Mitte des Dokuments. "Klaus Weber. Ich hätte es wissen müssen. Er steht nicht nur auf der Liste – er ist einer der Hauptdrahtzieher."

Sophia beugte sich vor. "Der Mann, der dich nach Rom geschickt hat? Mit dem Koffer?"

"Ja. Ein ehemaliger Stasi-Kontakt." Müller ballte die Faust. "Er hat mich benutzt. Hat mich zum Komplizen bei Harrisons Ermordung gemacht."

"Dann haben wir ein weiteres Motiv," sagte Sophia grimmig. "Persönliche Rache ist immer gut für die Motivation."

Am Flughafen OkÄ™cie übernahm Sophia die Führung. Sie sprach leise mit einem Sicherheitsbeamten, der sie durch einen Seiteneingang zum Rollfeld brachte. Ein kleines Frachtflugzeug wartete dort, der Pilot rauchte neben der offenen Tür.

"Alter Freund aus der Untergrundzeit," erklärte Sophia. "Er fliegt medizinische Güter nach Italien. Wir sind heute die medizinischen Güter."

Die Maschine war laut und unbequem, die Sitze nichts als gefaltete Decken auf Metallkisten. Aber sie hob ab, und während Warschau unter ihnen verschwand, erlaubte sich Müller ein kurzes Gefühl der Erleichterung.

"Sie wissen jetzt, dass wir die Dokumente haben," sagte er, als sie über die Tschechoslowakei flogen. "Sie werden uns in Rom erwarten."

Sophia nickte. "Deshalb landen wir nicht auf Fiumicino, sondern auf einem kleinen Privatflugplatz außerhalb der Stadt. Marco wird uns abholen."

"Marco?"

"Ein alter Freund. Er hat gegen Mussolini gekämpft, als das noch lebensgefährlich war. Er betreibt jetzt eine kleine Pension in Trastevere. Ein sicherer Ort."

Der Flug dauerte etwas über zwei Stunden. Als sie auf der holprigen Landebahn aufsetzten, war es kurz vor Mitternacht. Die Luft war warm und schwer vom Duft blühender Zitronenbäume.

Ein alter Fiat stand am Rand des Flugfelds, die Scheinwerfer gedimmt. Ein grauhaariger Mann mit wettergegerbtem Gesicht lehnte an der Motorhaube. Als er sich aufrichtete, bemerkte Müller die lange Narbe, die sich von seinem linken Auge bis zum Kinn zog.

"Sophia!" Der Mann umarmte sie herzlich, dann wandte er sich an Müller. "Und Sie müssen der Deutsche sein. Marco Ricci." Sein Händedruck war fest, seine Augen wachsam.

"Erich Müller."

"Wir sollten uns beeilen," sagte Marco. "Ich wurde auf dem Weg hierher verfolgt. Ich glaube, ich habe sie abgeschüttelt, aber sicher ist sicher."

Sie zwängten sich in den kleinen Fiat und fuhren los. Marco nahm Nebenstraßen, wechselte mehrmals abrupt die Richtung, fuhr durch dunkle Gassen, die kaum breiter waren als das Auto.

"Ihr habt euch mit mächtigen Feinden angelegt," sagte er, während er den Wagen durch eine scharfe Kurve lenkte. "Die Männer, die euch suchen, wurden am Flughafen Fiumicino gesichtet, kurz nachdem ich meine Kontakte über eure Ankunft informiert hatte."

"Woher wussten sie, dass wir kommen?" fragte Müller.

"Sie haben Quellen überall," antwortete Marco grimmig. "In den Fluggesellschaften, bei der Polizei, sogar im Vatikan, wie man hört."

Als sie in die Innenstadt kamen, bemerkte Müller den schwarzen Mercedes, der ihnen folgte. "Wir haben Gesellschaft."

Marco fluchte leise auf Italienisch und trat das Gaspedal durch. Der kleine Fiat heulte protestierend auf, als er durch die engen Gassen von Trastevere schoss.

"Festhalten," rief Marco, als er in eine Einbahnstraße einbog – in die falsche Richtung. Hupende Autos wichen aus, Fußgänger sprangen zur Seite.

Der Mercedes blieb dran. Müller sah im Rückspiegel, wie ein Arm aus dem Beifahrerfenster ragte. Das Mondlicht glänzte auf Metall.

"Runter!" schrie er, im selben Moment, als die Heckscheibe zersplitterte. Sophia duckte sich, Glassplitter regneten auf ihre Köpfe.

Marco riss das Steuer herum, bog in eine Seitengasse ein, die so eng war, dass die Außenspiegel an den Hauswänden entlangschrammten. Der Mercedes war zu breit für die Gasse, sie hörten, wie er bremsend zum Stehen kam.

"Das verschafft uns ein paar Minuten," keuchte Marco. Er navigierte durch ein Gewirr von Gassen, bis sie vor einem unscheinbaren Haus hielten. "Schnell, rein."

Sie stolperten durch eine schmale Tür in einen dunklen Flur. Marco schloss und verriegelte hinter ihnen, führte sie dann eine steile Treppe hinauf in eine kleine Wohnung über seiner Pension.

"Hier seid ihr vorerst sicher," sagte er, während er die Vorhänge zuzog. "Die Pension hat einen Geheimgang, der zur Nachbarstraße führt. Ein Überbleibsel aus dem Widerstand."

Sophia sank erschöpft auf einen Stuhl. "Danke, Marco. Wir wissen nicht, wie wir—"

"Keine Dankesreden," unterbrach er sie. "Erzähl mir lieber, in was für ein Wespennest ihr gestochen habt."

Während Sophia Marco die Situation erklärte, breitete Müller die geretteten Dokumente auf dem Tisch aus. Das Licht der einzelnen Lampe warf lange Schatten über die Papiere, die Namen darauf schienen fast zu pulsieren.

"Diese Verschwörung," sagte Marco, nachdem Sophia geendet hatte, "sie reicht weiter, als ihr denkt. Nicht nur Waffenhändler und korrupte Beamte. Es geht um die höchsten Kreise."

"Wie meinst du das?" fragte Sophia.

Marco ging zu einem alten Schrank, öffnete eine versteckte Lade und zog ein vergilbtes Dokument hervor. "Ich habe meine eigenen Recherchen angestellt. Seit Jahren. Es begann mit Waffenlieferungen an Diktatoren in Südamerika. Die Spur führte zu einer Gruppe, die sich 'Il Circolo' nennt – der Kreis."

Er breitete das Dokument aus – eine Liste mit Namen, viele davon durchgestrichen. "Politiker, Generäle, Industrielle. Sie arbeiten zusammen, um den Status quo zu erhalten. Der Kalte Krieg ist ihr Geschäftsmodell."

Müller beugte sich über die Liste. "Einige dieser Namen stehen auch auf unseren Dokumenten."

"Genau," nickte Marco. "Und jetzt planen sie ihren größten Coup. In drei Wochen soll in Genf ein geheimes Friedensabkommen unterzeichnet werden. Ein Durchbruch in den Ost-West-Beziehungen. 'Il Circolo' will das um jeden Preis verhindern."

"Harrison," murmelte Müller. "Er war Teil der Verhandlungsdelegation."

"Und nur der erste auf ihrer Liste," bestätigte Marco düster. "Sie werden jeden beseitigen, der für dieses Abkommen arbeitet."

Müller sank auf einen Stuhl. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. "Weber wusste das alles. Er hat mich benutzt, um Harrison aus dem Weg zu räumen. Ein ehemaliger Stasi-Agent als Sündenbock – perfekt für ihre Zwecke."

"Wir müssen diese Informationen veröffentlichen," sagte Sophia entschlossen. "Sofort."

"Nicht so einfach," warnte Marco. "Sie kontrollieren viele Medien. Und selbst wenn ihr einen Weg findet – sie werden euch finden und töten, bevor die Tinte trocken ist."

"Dann brauchen wir Schutz," sagte Müller. "Jemanden, der mächtig genug ist, um gegen 'Il Circolo' zu bestehen."

Marco lächelte dünn. "Ich kenne da jemanden beim Vatikan. Ein Kardinal, der nicht korrumpierbar ist. Er hat Verbindungen zu Geheimdiensten in ganz Europa."

"Kann man ihm trauen?" fragte Müller skeptisch.

"In diesen Zeiten kann man niemandem völlig trauen," antwortete Marco. "Aber er hat mehr gute Menschen vor Franco und Mussolini gerettet als jeder andere. Wenn jemand gegen diese Verschwörung kämpfen kann, dann er."

Draußen heulte eine Polizeisirene auf, kam näher, verhallte dann wieder in der Ferne. Müller trat ans Fenster und spähte vorsichtig durch einen Spalt im Vorhang. Die Straße lag ruhig da, in das warme Licht der Laternen getaucht. Doch er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ihre Verfolger sie finden würden.

"Wir sollten die Dokumente sichern," sagte er. "An verschiedenen Orten. Falls einem von uns etwas zustößt."

Sophia nickte. "Und wir brauchen einen Plan B. Wenn die Veröffentlichung scheitert, müssen wir einen anderen Weg finden, die Verschwörung zu stoppen."

Marco ging zu einem kleinen Tresor in der Wand und öffnete ihn. "Hier drin sind sie vorerst sicher. Morgen früh bringe ich euch zu dem Kardinal."

Während sie die Dokumente sortierten und in Umschläge packten, dachte Müller an Weber. An den Mann, der ihn in diese tödliche Intrige hineingezogen hatte. Der ihn zum Werkzeug für einen Mord gemacht hatte.

"Eines verstehe ich nicht," sagte er schließlich. "Warum hat Weber den Mikrofilm in meiner Tasche versteckt? War es ein Versehen?"

Marco schüttelte den Kopf. "Kein Versehen. Eine Versicherung. Wenn etwas schiefgeht, braucht man einen Sündenbock. Jemanden, bei dem man belastendes Material finden kann."

"Und jetzt bin ich der Sündenbock," murmelte Müller bitter.

"Nicht mehr," sagte Sophia entschlossen. "Jetzt bist du ein Zeuge. Und zusammen werden wir diese Bastarde zur Strecke bringen."

Draußen begann ein neuer Tag in Rom. Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch die Ritzen der Vorhänge, während sie ihren Plan schmiedeten. Ein Plan, der sie entweder retten oder endgültig vernichten würde.

Der Kardinal hatte ihnen nicht helfen können. Oder vielmehr: Er hatte nicht helfen wollen. Müller hatte die Zurückhaltung in seinen Augen gesehen, das kurze Zucken seiner Hand, als Marcos Name fiel.

"Wir müssen die Dokumente verstecken," sagte Müller, während er mit Sophia durch die engen Gassen Roms eilte. Die Mittagssonne brannte unbarmherzig auf das Kopfsteinpflaster. "Irgendwo, wo sie niemand findet, bis wir einen sicheren Kontakt hergestellt haben."

Sophia nickte. Ihre Augen waren wachsam, scannten jeden Passanten, jedes Fahrzeug. "Ich habe eine Idee. Die Katakomben."

"Die Touristenattraktionen?"

"Nicht die offiziellen Bereiche." Sophia senkte die Stimme, obwohl niemand in Hörweite war. "Es gibt Teile der Katakomben, die nicht auf den Karten verzeichnet sind. Marco hat mir davon erzählt. Eingänge, die nur wenige kennen."

Sie nahmen ein Taxi zum südlichen Stadtrand, stiegen aber mehrere Blocks vor ihrem eigentlichen Ziel aus – eine Vorsichtsmaßnahme, die Müller aus seiner Stasi-Zeit kannte. Zu Fuß näherten sie sich einem unscheinbaren Wohngebiet, wo verfallene Häuser neben renovierten Altbauten standen.

"Hier," sagte Sophia und deutete auf ein verlassenes Lagerhaus. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt, die Tür mit einer rostigen Kette gesichert, die jedoch nur zum Schein angebracht war. Sie ließ sich leicht lösen.

Im Inneren roch es nach feuchtem Stein und Vergangenheit. Sophia führte ihn durch den staubigen Raum zu einer Falltür im Boden, halb verborgen unter alten Säcken.

"Marco hat während des Krieges Juden und Widerstandskämpfer hier versteckt," erklärte sie, während sie die schwere Holztür anhob. "Die Katakomben waren ein perfektes Versteck. Ein Labyrinth aus Gängen und Kammern, das sich unter der ganzen Stadt erstreckt."

Eine steile, ausgetretene Steintreppe führte hinab in die Dunkelheit. Sophia zog eine Taschenlampe aus ihrer Jacke und leuchtete voraus. "Vorsicht, die Stufen sind rutschig."

Sie stiegen hinab in eine andere Welt. Die Luft wurde kühler, feuchter, erfüllt vom Geruch nach altem Stein und Erde. Das Licht der Taschenlampe tanzte über die Wände, enthüllte in den Fels gehauene Nischen, leere Grabkammern, verblasste Inschriften.

"Die frühen Christen haben diese Gänge gegraben," flüsterte Sophia, als hätte sie Angst, die Toten zu wecken. "Über Jahrhunderte wurden hier die Verstorbenen beigesetzt."

Müller berührte die kühle Steinwand. "Und du bist sicher, dass niemand uns hier findet?"

"Es gibt Hunderte von Kilometern an Gängen. Selbst die Behörden kennen nicht alle." Sie leuchtete einen schmalen Seitengang aus. "Hier entlang."

Sie bewegten sich tiefer in das Labyrinth, bogen immer wieder ab, bis Müller jede Orientierung verloren hatte. Die Gänge wurden enger, niedriger, zwangen sie manchmal, gebückt zu gehen. Das einzige Geräusch war ihr eigener Atem und das gelegentliche Tropfen von Wasser.

Schließlich erreichten sie eine kleine Kammer. Anders als die anderen Räume, an denen sie vorbeigekommen waren, schien diese keine Grabkammer zu sein. Steinbänke waren in die Wände gehauen, und in der Mitte stand ein einfacher Steintisch.

"Ein Versammlungsort," erklärte Sophia. "Hier trafen sich die Christen, als ihre Religion noch verboten war."

Müller öffnete seine Tasche und holte die versiegelten Dokumente hervor. "Hier sollten sie sicher sein."

Sie begannen, die Umschläge in verschiedenen Nischen zu verstecken, sorgfältig darauf achtend, dass sie nicht auf den ersten Blick sichtbar waren, aber auch nicht so gut versteckt, dass sie selbst Schwierigkeiten haben würden, sie wiederzufinden.

"Wir sollten Markierungen anbringen," schlug Müller vor. "Unauffällig, aber für uns erkennbar."

Sophia nickte und zog einen Stift aus ihrer Tasche. Sie ritzte kleine Symbole in den Stein neben jeder Nische – nichts, was einem zufälligen Besucher auffallen würde, aber genug, um ihnen später den Weg zu weisen.

Als sie den letzten Umschlag versteckt hatten, hielten sie inne und lauschten. Die Stille der Katakomben war vollkommen. Kein Laut drang von der Stadt über ihnen herab.

"Wir sollten zurück," sagte Müller schließlich. "Je länger wir hier unten bleiben, desto größer die Gefahr, dass jemand unseren Eingang entdeckt."

Sie machten sich auf den Rückweg, Sophia voraus mit der Taschenlampe. Die Gänge schienen sich verändert zu haben, schmaler, verwirrender. Mehrmals mussten sie umkehren, weil sie in Sackgassen geraten waren.

"Bist du sicher, dass wir richtig gehen?" fragte Müller nach einer Weile.

"Ich dachte, ich hätte mir den Weg gemerkt," antwortete Sophia mit einem Anflug von Unsicherheit. "Aber diese Gänge..."

Ein Geräusch ließ sie erstarren. Ein Klicken, dann Schritte, gedämpft, aber unverkennbar. Und sie kamen näher.

Sophia schaltete die Taschenlampe aus. Dunkelheit umhüllte sie, so vollständig, dass Müller nicht einmal seine Hand vor Augen sehen konnte.

"Dort drüben," flüsterte er, obwohl er selbst nichts sehen konnte. "Ein Seitengang."

Tastend bewegten sie sich seitwärts, bis sie die Wand erreichten und einem schmalen Gang folgten. Die Schritte kamen näher, und jetzt hörten sie auch gedämpfte Stimmen. Eine davon erkannte Müller sofort.

Weber.

"Sie können nicht weit sein," sagte Webers Stimme, begleitet vom Schein mehrerer Taschenlampen, die um eine Ecke bogen. "Durchsucht jeden Gang."

Müller zog Sophia tiefer in den Seitengang. Sie drückten sich gegen die feuchte Wand, während die Lichtkegel an ihnen vorbeischwenkten.

"Wir müssen sie trennen," flüsterte Müller. "Wenn wir einzeln gegen sie vorgehen, haben wir eine Chance."

Sophia nickte im Dunkeln, eine Bewegung, die er mehr spürte als sah. Sie drückte ihm ihre Taschenlampe in die Hand. "Ich kenne einen anderen Weg nach oben. Wir treffen uns bei Marco, wenn wir es schaffen."

Bevor er antworten konnte, war sie verschwunden, lautlos wie ein Schatten. Müller wartete einen Moment, dann schlich er in die entgegengesetzte Richtung. Er wagte es nicht, die Taschenlampe einzuschalten, tastete sich stattdessen an der Wand entlang vorwärts.

Die Stimmen und Lichter entfernten sich, dann teilten sie sich – Webers Männer durchkämmten systematisch die Gänge. Müller beschleunigte seine Schritte, bog mehrmals ab, versuchte, Abstand zwischen sich und seine Verfolger zu bringen.

Plötzlich packte ihn eine Hand am Arm und zog ihn in eine Nische. Er wollte sich losreißen, doch eine vertraute Stimme flüsterte: "Ich bin's."

Weber. Nicht mit seinen Männern, sondern allein, das Gesicht halb im Schatten.

"Du," zischte Müller und griff nach seinem Messer.

"Nicht," sagte Weber ruhig. "Wenn ich gewollt hätte, wärst du schon tot."

"Was willst du?"

"Reden. Nur reden." Weber deutete auf eine kleine Seitenkammer. "Dort drin. Meine Männer sind in den anderen Gängen."

Misstrauisch folgte Müller ihm in die Kammer. Es war ein ehemaliger Gebetsraum, ähnlich dem, in dem sie die Dokumente versteckt hatten, aber kleiner. Weber schaltete seine Taschenlampe ein und stellte sie so, dass sie die Decke beleuchtete, ein diffuses Licht schaffend.

"Du hast mich benutzt," sagte Müller bitter. "Hast mich zum Mörder gemacht."

"Nicht zum Mörder. Zum Kurier." Weber setzte sich auf eine Steinbank. Er wirkte müde, älter als bei ihrem letzten Treffen in Barcelona. "Du hast den Koffer transportiert, nicht die Waffe."

"Ein bedeutungsloser Unterschied."

"Vielleicht." Weber zuckte mit den Schultern. "In unserem Geschäft verschwimmen die Grenzen."

"Es war nie mein Geschäft," entgegnete Müller. "Ich wollte nur in Frieden leben."

Weber lachte leise. "Frieden. Ein schönes Konzept. Aber es gibt keinen Frieden, Erich. Nur Phasen zwischen den Kriegen."

"Und Männer wie du sorgen dafür, dass diese Phasen kurz bleiben."

"Männer wie ich sorgen für Gleichgewicht." Webers Stimme wurde ernst. "Weißt du, was passiert, wenn dieses Friedensabkommen unterzeichnet wird? Chaos. Die Strukturen, die seit vierzig Jahren die Welt stabilisieren, brechen zusammen."

"Du meinst die Strukturen, die dich reich gemacht haben."

"Auch das." Weber nickte. "Ich habe nie behauptet, ein Heiliger zu sein. Aber ich bin auch kein Monster. Ich habe für beide Seiten gearbeitet, Ost und West. Habe dafür gesorgt, dass niemand zu mächtig wird."

"Und dich dabei bereichert."

"Natürlich. Warum sollte ich es sonst tun?" Weber lehnte sich vor. "Aber es ging nie nur ums Geld. Es ging um Einfluss. Um die Fähigkeit, die Geschicke zu lenken."

"Du bist wahnsinnig," sagte Müller kopfschüttelnd. "Du glaubst wirklich, du stehst über allem."

"Nicht über allem. Aber ich sehe das größere Bild." Weber holte eine Zigarette hervor und zündete sie an. Das Aufflackern des Feuerzeugs erhellte kurz sein Gesicht, die tiefen Linien, die harten Augen. "Ich habe seit dreißig Jahren ein doppeltes Spiel gespielt. Habe Informationen an den Westen verkauft, während ich für den Osten arbeitete. Und umgekehrt."

"Und jetzt? Was ist dein Plan jetzt?"

Weber zog an seiner Zigarette. Der Rauch stieg zur Decke auf, tanzte im Licht der Taschenlampe. "Jetzt brauche ich die Dokumente, die ihr versteckt habt. Und dann verschwinden wir – du, ich, deine Journalistin, wenn sie klug ist."

"Verschwinden? Wohin?"

"Südamerika. Ich habe Verbindungen. Neue Identitäten, ein neues Leben." Weber lächelte dünn. "Der Kalte Krieg ist vorbei, Erich. Die Welt verändert sich. Kluge Männer passen sich an."

"Und wenn ich nicht mitspiele?"

"Dann stirbst du hier unten." Webers Stimme war sachlich, ohne Bosheit. "Meine Männer finden dich früher oder später. Oder du verhungerst in diesem Labyrinth."

Müller schwieg einen Moment. Sein Blick wanderte durch den kleinen Raum, über die alten Inschriften an den Wänden, die verblassten Symbole früher Christen. Menschen, die für ihren Glauben gestorben waren, in diesen selben Tunneln.

"Du verstehst es nicht, oder?" sagte er schließlich. "Es geht nicht darum, zu überleben. Es geht darum, das Richtige zu tun."

Weber seufzte. "Ich hatte gehofft, du wärst vernünftiger."

"Ich war lange genug unvernünftig. Habe Befehle befolgt, ohne zu fragen." Müller richtete sich auf. "Nicht mehr."

Ein Geräusch ließ sie beide aufhorchen. Schritte näherten sich, mehrere Personen.

"Meine Männer," sagte Weber und stand auf. "Letzte Chance, Erich."

Müller schüttelte den Kopf. "Es ist vorbei, Klaus."

Die Schritte kamen näher, Lichtkegel tanzten am Eingang der Kammer. Aber es waren nicht Webers Männer, die eintraten. Es waren Uniformierte – italienische Polizei, die Waffen im Anschlag.

"Polizei! Hände hoch!" rief einer auf Italienisch.

Weber reagierte blitzschnell. Er zog eine Pistole und feuerte, traf einen der Polizisten in die Schulter. Dann packte er Müller und zerrte ihn als Schutzschild vor sich.

"Zurück, oder ich erschieße ihn!" rief er.

Die Polizisten zögerten, ihre Waffen auf Weber und Müller gerichtet. Müller spürte den kalten Lauf von Webers Pistole an seiner Schläfe.

In diesem Moment erinnerte er sich. Ein Detail aus seiner Ausbildung, vor langer Zeit in Ost-Berlin. Die Katakomben von Rom – ein Standardbeispiel für unterirdische Fluchtwege in der Spionageausbildung. Es gab einen vergessenen Ausgang, einen, den nicht einmal die lokalen Behörden kannten.

"Die Dokumente, Erich," zischte Weber in sein Ohr. "Wo sind sie?"

"Ich zeige es dir," antwortete Müller ruhig. "Aber nur dir. Schick deine Männer weg."

Weber zögerte, dann gab er einen Befehl über sein Funkgerät. Die Polizisten nutzten die Ablenkung. Einer von ihnen feuerte, die Kugel streifte Webers Schulter. Er schrie auf, sein Griff lockerte sich.

Müller stieß ihn von sich, duckte sich und rollte zur Seite. Weitere Schüsse fielen, hallten ohrenbetäubend durch die engen Gänge. Weber taumelte, feuerte wild zurück.

In dem Chaos griff Müller nach Sophias Taschenlampe und kroch zum hinteren Teil der Kammer. Dort, halb verborgen hinter einem vorspringenden Felsen, war eine schmale Öffnung – kaum groß genug für einen Mann, aber sie führte weiter, zu einem vergessenen Gang.

Er zwängte sich hindurch, hörte hinter sich das Feuergefecht, Schreie, Befehle. Der Gang war eng, die Luft stickig. Er kroch vorwärts, die Taschenlampe zwischen den Zähnen.

Nach etwa zwanzig Metern weitete sich der Gang. Müller konnte wieder aufrecht gehen. Er leuchtete voraus und sah, was er gehofft hatte zu finden – eine steinerne Treppe, die nach oben führte.

Als er die Hälfte der Treppe erklommen hatte, hörte er Schritte hinter sich. Er drehte sich um, bereit zu kämpfen, doch es war Sophia, atemlos und mit einer Schramme im Gesicht, aber lebend.

"Erich! Gott sei Dank." Sie umarmte ihn kurz. "Die Polizei ist da. Marco hat sie gerufen."

"Weber?"

"Tot, glaube ich. Es gab eine Schießerei."

Sie stiegen weiter die Treppe hinauf, die in einer alten Kapelle endete, versteckt in einem verfallenen Kloster am Stadtrand. Die Abendsonne fiel durch zerbrochene Buntglasfenster, malte farbige Muster auf den staubigen Boden.

Draußen wartete Marco mit einem Wagen. Sein Gesicht war grimmig. "Es ist vorbei," sagte er. "Die Polizei hat Webers Männer festgenommen. Und ich habe Kontakt zu einem Interpol-Agenten hergestellt, der nicht korrumpiert ist."

"Die Dokumente," begann Müller.

"Sind sicher," versicherte Sophia. "Ich habe Kopien an verschiedene Redaktionen geschickt, mit Anweisung, sie zu veröffentlichen, falls uns etwas zustößt."

Sie fuhren schweigend durch die abendliche Stadt, vorbei an antiken Ruinen und modernen Gebäuden. Rom schien unberührt von den Ereignissen des Tages, die Touristen schlenderten ahnungslos durch die Straßen, die Cafés waren gefüllt mit Menschen, die lachten und plauderten.

"Was jetzt?" fragte Sophia schließlich.

"Jetzt übergeben wir alles an Interpol," antwortete Müller. "Und dann..." Er schaute aus dem Fenster, auf die ewige Stadt, die so viele Imperien hatte kommen und gehen sehen. "Dann ist es Zeit, sich der Vergangenheit zu stellen."

Drei Wochen später saß Müller in einem Café in Berlin, nahe der Stelle, wo einst die Mauer gestanden hatte. Vor ihm lag eine Zeitung mit der Schlagzeile: "Internationaler Waffenhändlerring zerschlagen – Hochrangige Politiker verstrickt".

Sophia trat an seinen Tisch, eine Aktentasche unter dem Arm. Sie sah anders aus – das Haar länger, gefärbt, Teil ihrer neuen Identität.

"Es ist getan," sagte sie und setzte sich. "Das Abkommen wurde unterzeichnet. In Genf, wie geplant."

Müller nickte. "Und 'Il Circolo'?"

"Zerschlagen. Die meisten wurden verhaftet, einige sind untergetaucht." Sie lächelte leicht. "Dein Kontakt bei Interpol hat ganze Arbeit geleistet."

"Nicht nur er." Müller deutete auf die Zeitung. "Dein Artikel ist brillant."

"Die Geschichte meines Lebens." Sophia nahm einen Schluck von seinem Kaffee. "Und was ist mit dir? Wirst du bleiben?"

Müller blickte hinüber zum Brandenburger Tor, wo Ost und West sich nun begegneten, ohne Mauer dazwischen. "Ja. Es ist Zeit, mich meiner Geschichte zu stellen. Der Staatsanwalt hat Immunität angeboten, wenn ich aussage."

"Gegen die verbliebenen Stasi-Offiziere?"

"Gegen alle, die ich kenne." Müller seufzte. "Es wird nicht leicht. Viele werden mich als Verräter sehen."

"Oder als Helden." Sophia legte ihre Hand auf seine. "Es kommt auf die Perspektive an."

Sie saßen schweigend da, während um sie herum eine neue Ära begann. Der Kalte Krieg war vorbei, die alten Grenzen verschwanden. Und mit ihnen die Männer, die im Schatten operiert hatten – Männer wie Weber, wie Müller selbst.

"Weißt du," sagte Müller nach einer Weile, "in den Katakomben, als Weber mich bedrohte, dachte ich an etwas, das mein Vater immer sagte: 'Am Ende zählt nur, ob du das Richtige getan hast, nicht ob du überlebt hast.'"

"Ein weiser Mann, dein Vater."

"Ein einfacher Mann. Aber er hatte recht." Müller faltete die Zeitung zusammen. "Es ist Zeit für einen Neuanfang. Für uns alle."

Über ihnen erstreckte sich der Himmel, klar und blau, ohne die Schatten des Kalten Krieges. Eine neue Welt wartete, mit neuen Gefahren, neuen Geheimnissen. Aber für den Moment, in diesem Café in Berlin, war alles, was zählte, dass sie das Richtige getan hatten.

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